Warum kommunizieren wir immer noch in Silos?

Warum kommunizieren wir immer noch in Silos?

Ich arbeite seit 2011 in Jobs, die immer “irgendwas mit Kommunikation” zu tun hatten.

Und es gibt ein Wort, das mich seit meinem Berufseinstieg immer und ständig begleitet: Das Silo.

Kommunikatoren reden ja gerne mit vielen (englischen) Buzzwords, das Silo ist auch so eines - gefühlt reden Kommunikatoren ständig darüber, wie Silos “aufzubrechen” sind, die Organisation “in Silos denkt”, die “Silostrukturen zu überwinden sind” usw.

Was meinen wir damit eigentlich? Wikipedia sagt, ein Silo ist ein Speicher für Schüttgüter. Oben kommen Dinge rein, und werden sie wieder entnommen. Kommunikatoren verstehen unter einem Silo vor allem einen (gedachten) Raum mit Wänden, den keine Informationen verlassen. Wenn in einem Unternehmen mehrere dieser Räume existieren, haben wir den ungünstigen Fall, dass Informationen (oder auch Ideen) vorhanden sind bzw. entstehen, dies aber immer nur in einem kleinen Kreis.

Das ist (bis auf wenige Ausnahmen) immer ungünstig. Dafür gibt es vor allem drei Gründe:

  1. Informationen in Silos sorgen für Desinformation.Einige Kolleginnen und Kollegen wissen über Dinge Bescheid, die von Interesse sind, andere nicht. Menschen fühlen sich dann übergangen - das senkt die Zufriedenheit. Im schlimmsten Fall führt Desinformation aber auch dazu, dass in Projekten falsche Entscheidungen getroffen werden, weil dem handelnden Mitarbeiter wichtige Informationen gefehlt haben.
  2. Informationen in Silos sorgen für mehr ArbeitErhalten Mitarbeiter wichtige Informationen nicht, verlieren Unternehmen Zeit und Geld. Wichtige Projekte könnten mit den richtigen Informationen entscheidend zielstrebiger vorangebracht werden, Fehlentscheidungen aufgrund mangelnder Informationen vermieden werden.
  3. Informationen in Silos sorgen für chaotische KommunikationMeist erfahren Mitarbeiter durch “Flurfunk” Informationshappen aus diesen Silos. Diese Happen werden dann an enge Kolleginnen und Kollegen weitergegeben. Das führt zu Gerüchten und Vermutungen, zu Unsicherheit und Unzufriedenheit. Vor allem in der Krisenkommunikation entsteht so schnell ein giftiges Klima des Misstrauens. Die Kommunikation von Informationen verselbständigt sich und ist schnell nicht mehr einzufangen. Es entsteht Kontrollverlust und vor allem auch die Hoheit über das Thema.

Wir haben doch moderne Kommunikationsmittel. Warum gibt es trotzdem noch Probleme mit Informationen in Silos?

Darauf gibt es zwei Antworten:

  1. Die Benutzung und der Sinn der vorhandenen Kommunikationsmittel wurde nicht geklärtIn analogen Zeiten war dies etwas einfacher. Ein Beispiel: Allgemeine Informationen konnte man am schwarzen Brett einsehen, besonders wichtige und persönliche Informationen wurden per Brief zugestellt.
  2. Mitarbeiter können moderne Kommunikationsmittel nicht bedienen.
  3. Transparente Kommunikation ist nicht gewünscht. Eine offene Kommunikation kann nur stattfinden, wenn Mitarbeitende wie Management daran teilnehmen. Meist haben Führungskräfte aus den höchsten Hierarchiebenen mehr Wissen über Vorgänge und Aktuelles. Nicht alles darf kommuniziert werden (das ist auch gut so), aber das, was kommunizierbar ist, wird oft ebenfalls nicht herausgegeben. Warum? Entweder aus Nichtwissen um die positiven Auswirkungen von Kommunikation, aus Faulheit oder der Grund ist Macht - Wissen ist Macht. Was nicht herausgegeben wird, ist “exklusiv”, damit kann man spielen und einen gewissen Druck aufbauen. Alles, was sich über Flurfunk verbreitet, ist nicht offiziell, muss nicht kommentiert werden und zeigt gleichzeitig auch den Einfluss des höheren Managements, Wissen zu kontrollieren.

Gerade Punkt 3 ist entscheidend. Wer Wissen als Machtmittel begreift, begeht im Unternehmen einen Fehler. Denn natürlich spart man sich Kommunikation (die kostet Geld, Ressourcen und Zeit), aber sie steigert vor allem die Unzufriedenheit der Mitarbeitenden. Nicht umsonst ist der Hauptgrund, warum Menschen unzufrieden mit ihrem Job sind und dies auch bei Portalen wie kununu äußern, die mangelhafte Kommunikation. Nicht selten führt dies zur Kündigung.

Mit Formaten können wir Silos aufbrechen

Es gibt natürlich kein Allheilmittel. Aber eine gute Möglichkeit sind Formate. Kommunikationsformate sind verlässliche Content-Stücke, die wiederkehrend sind, also einen festen Rhythmus haben. Sie haben eine feste Struktur, einen Wiedererkennungswert. Dadurch können sie gerade in Krisenzeiten eine Art Anker für die Belegschaft sein. Die Leute wissen dann, dass über Krisensituationen gesprochen wird, dass nichts totgeschwiegen wird. Idealerweise etabliert man Formate in ruhigen Zeiten um in der Krise bereits eine gewisse Stabilität zu haben. Funktionieren können Formate allerdings nur, wenn sie sowohl von der Kommunikation als auch vom Management gewollt sind und beide Seiten versuchen sie aufrechtzuhalten. Nur dann wird die offene Kommunikation nicht als “Muss” betrachtet, sondern als wertvoller Bestandteil der Unternehmenskultur.

Muss ein solches Format aufwändig sein? Nein. Es reicht ein monatliches schriftliches Interview, besser natürlich ein Video oder ein Podcast. Fragen können Mitarbeitende zum Beispiel über ein Mail-Postfach einreichen, diese werden sortiert, ausgewählt, Antworten erarbeitet und eingesprochen. Kostet ein solches Format Zeit? Ja, auf jeden Fall. Das notwendige Personal muss natürlich vorgehalten werden. Nicht die Produktion eines Video- oder Audio-Formats ist der größte Aufwand, sondern Vor- und Nacharbeit. Fragen sammeln, Recherche, Abstimmung, Auswertung, Community-Management. Aber natürlich auch technische Dinge wie Schnitt und Nachbearbeitung, Vorbereitung des Equipments. All das dauert seine Zeit, kann natürlich auch nach extern ausgelagert werden, aber auch die Aussteuerung von externen Partnern ist ein nicht zu unterschätzender Aufwand. Ein monatlich wiederkehrendes kleines Format verbraucht schnell mehrere Arbeitstage.

Erreicht man aber allein dadurch global im Unternehmen eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit, ist die Investition mehr als berechtigt.

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Warum ich von Social Media-Hacks in Algorithmus-Zeiten nichts halte

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Ich habe diesen Artikel gestern geschrieben. Und direkt danach kam die Ankündigung von Mark Zuckerberg, Das "Social Media-Spiel" grundlegend zu ändern, siehe z.B. hier: https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/mark-zuckerberg-kuendigt-richtungswechsel-bei-facebook-und-instagram-an-a-8639e621-2866-495c-888e-de50eb42c32a Dadurch wird der folgende Post doch gleich eine Ecke relevanter. Viel Spaß beim Lesen! Wenn man

By Fabian Meyer-Theobaldy