Wir müssen wieder etwas zu sagen haben

Auf Plattformen wie Mastodon funktioniert kein Hass und Hetze. Hier gibt es keinen Algorithmus. Wir brauchen dort starke Inhalte um an Reichweite zu kommen.
Die Social Media-Welt ist im Wandel. Längst haben sich die etablierten großen Kanäle wegentwickelt von dem, was sie einst ausgemacht hat. Aus Twitter wurde X und spätestens seitdem ist die Plattform ein Hort für rechte Meinungsmache. Facebook, das ein Freundschaftsnetzwerk begonnen hat, ist von Unternehmen und deren Werbung dominiert, der Rest ist oft kruder Content, der auf maximale Reichweite getrimmt ist. Der Austausch und Kontakt mit Freunden findet kaum noch statt. Dementsprechend haben viele noch ihre Accounts, bespielen sie aber schon seit Jahren nicht mehr.
Warum auch? Das, was ich poste, sieht meist keiner mehr, weil im Strom des Algorithmus-Mülls untergeht. Und wenn ich dann doch mal eine interessante Nachricht entdecke, ist sie meist schon drei Wochen alt.
Wen all das stört, der flüchtet sich zu Netzwerken wie Bluesky oder Mastodon. Diese nutzen keine Algorithmen, sondern spielen nur Meldungen aus dem eigenen Netzwerk ein. Das hat den Vorteil, dass weniger Müll in der Timeline landet, außer ich möchte diesen bewusst sehen.
Social Media ist Handwerk
Das hat aber natürlich auch entscheidende Nachteile. Und diese sind oft der Grund, warum Menschen, vor allem Creator und Unternehmen mit einem Wechsel zögern.
Social Media ist wieder mehr Handwerk: Um an Reichweite zu kommen (also Menschen, die meinen Content konsumieren), reicht es nicht, vermeintlich reichweitenstarken Content zu posten. Auf Plattformen wie Threads ist dies aktuell sehr gut möglich. Man nutzt einige Trigger-Wörter (Habeck, z.B. funktioniert wunderbar) und schon landet man, durch den Algorithmus gepusht, in der Timeline von Millionen Usern. Hier z.B. hat das gut funktioniert: [LINK] und das bei gerade mal rund 50 Followern. Bei Mastodon geht das nicht. Es kann sein, dass einfach niemand auf meine Beiträge reagiert - und das kann schon frustrierend sein, wenn man die Mechanik der anderen Plattformen gewohnt ist. Social Media, wie wir es heute kennen, belohnt uns mit Likes und Reposts und dem Versprechen schneller Viralität. Mastodon macht das nicht. Hier brauche ich ein Netzwerk. Und das muss ich mir mühsam aufbauen. Durch guten Content, durch das Finden meiner Nische. Durch das Pflegen meines Netzwerks. Wenn ich mit meinem Content Geld verdiene, ist das auf den ersten Blick schlecht.
Brauchen Content Creator Algorithmen?
Allerdings: Gerade bei Instagram haben Content Creator und Unternehmen in den letzten Jahren auch massiv mit Reichweitenverlust zu kämpfen gehabt. Wenn die Plattform den Algorithmus ändert und plötzlich Content bevorzugt ausspielt, den ich nicht zu bieten habe, habe ich ebenfalls ein Problem. Instagram hat zum Beispiel politischen Content lange Zeit standardmäßig nicht mehr angezeigt, erst nach der letzten Zuckerberg-Ankündigung im Vorfeld von Donald Trumps Amtsantritt ändern sie das wieder. Sie haben außerdem von einem Tag auf den anderen Video-Content und Reels favorisiert ausgespielt. Fotografen und andere “Nicht-Video-Creator” hatten das Nachsehen.
Das Argument gegen Bluesky, Mastodon und selbst betriebene Websites, massiv an Reichweite zu verlieren, ist nicht von der Hand zu weisen. Allerdings, auch Meta und X können uns jederzeit den Stecker ziehen. Dann ist es auch mit der Reichweite dahin.
Kann Social Media wieder ein positiver Ort werden?
Vielleicht hat diese Entwicklung auch etwas Gutes. Social Media auf Plattformen ohne Algorithmus könnte sich wieder zu einem Medium entwickeln, dass diejenigen favorisiert, die etwas zu sagen haben. Diejenigen, die Wissen und fundierte Meinungen teilen und nicht auf hohe Reichweite optimierten Selbstzweck-Content produzieren, durch den wir uns wie im Rausch scrollen, bis wir irgendwann aufwachen und merken, was für eine Zeitverschwendung das doch ist. Wir haben uns viel zu sehr daran gewöhnt, dass jede und jeder zu jedem Thema etwas beizutragen hat. Seien wir doch mal ehrlich: Es ist gar nicht so verkehrt, wenn nicht jede unreflektierte Äußerung die Chance auf Viralität hat. Das würde schon viel zur Qualität im Netz beitragen.